Reiseziele in der russischen Arktis

Vom amerikanischen Alaska aus ist der Sprung über das Meer zum benachbarten Russland nicht mehr allzu groß. Von einigen Punkten Alaskas kann man die russische Küstenlinie sogar ohne Fernglas sehen. Die Tatsache, dass die Küsten der russischen Arktis sowie die Inseln überhaupt von westlichen Besuchern angesteuert werden können, verdanken wir den politischen Änderungen nach 1990. Vorher war es nur unter sehr schwierigen Bedingungen möglich, die Weiten der russischen Arktis zu erkunden.

Im Nordosten Sibiriens, aber auch auf der Halbinsel Kamtschatka lassen sich einmalige und wunderschöne Gegenden entdecken – hohe Berge, Vulkane, inmitten der schneebedeckten Landschaft liegende Seen und ein vielfältiges Tierreich. Besucher, die sich in dieses nörd-liche, arktische Russland aufmachen, haben die Möglichkeit, das riesige Land von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen, die mehr an die Abenteuer von Jack London als an Katharina die Große erinnert. Vor allem in den letzten Jahren erarbeitete sich das nördliche Russland einen hervorragenden Ruf bei Touristen, die hier exzellente Reisebedingungen vorfinden.

Nicht nur landschaftlich ist die Reise entlang der russischen Nordküste von Interesse, sondern auch historisch. Immerhin bewegen wir uns hier auf den Spuren der legendären Arktisforscher und durchqueren auf unserer Reise bereits die zweite wichtige Passage der Arktis: die Nordostpassage. Es dauerte bis weit ins 19. Jahrhundert hinein, dass dieser Abschnitt der Arktis, damals noch mit einer Überwinterung, bezwungen werden konnte. Dank modernster Eisbrecher ist es heute jedoch möglich, die Passage weitgehend gefahrenfrei zu durchqueren. Die meisten Expeditionsschiffe, die auf ihren Touren die russische Arktis befahren, starten entweder in den größeren Metropolen Murmansk und Archangelsk oder aber im weitaus kleineren Anadyr. Wenn Sie sich auf die lange Reise zum geografischen Nordpol machen, legen die Eisbrecher hingegen so gut wie immer in Murmansk ab.

Anadyr

Ein Grund, warum viele Anbieter ihre Touren hier starten, ist der moderne Flughafen der Stadt. Er verbindet den arktischen Norden Russlands mit den großen russischen Städten wie Moskau, aber auch mit dem auf der anderen Seite des Beringmeers gelegenen Alaska. Der Hafen von Anadyr liegt im äußersten Nordosten Russlands direkt an der Beringsee in einer gleichnamigen Bucht, nicht weit von Alaska entfernt.

Photo: Ansgar Walk

Die Hafenstadt mit ihren rund 12 000 Einwohnern ist die Hauptstadt des Auto­nomen Kreises der Tschuktschen, einem weitgehend selbständig verwalteten Gebiet innerhalb der Russischen Födera­tion. Bekannt wurde die Verwaltungseinheit in den letzten Jahren vor allem durch ihren Gouverneur, den Multimilliardär Roman Abramowitsch. Er wurde im Jahre 2000 mit über 90 Prozent der Stimmen gewählt und 2005 noch einmal in seinem Amt bestätigt. In seiner Amtszeit, die er 2008 frühzeitig beendete, bemühte sich Abramowitsch, teilweise unter Heranziehung seines privaten Vermögens, die Infrastruktur sowie die Lebensbedingungen der Region zu verbessern.

Die Stadt Anadyr wurde am 3. August 1889 gegründet und als Novo-Marijsnk nach der russischen Zarin Marija Aleksandrovna benannt. Die Ursprünge der Stadt reichen jedoch weit über dieses Gründungsdatum hinaus. Bereits in den Jahrhunderten zuvor hatten in der Gegend unterschiedliche indigene Volksgruppen gesiedelt. Auch der erste Handelsposten war bereits im frühen 19. Jahrhundert ins Leben gerufen worden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielt die Stadt dann ihren heute gültigen Namen. Er geht zurück auf den Fluss Anadyr, der seinerseits wiederum seinen Namen von einem im 17. Jahrhundert etablierten Fort hatte, das am Fluss lag. Als 1930 die Autonome Provinz der Tschuktschen gegründet wurde, legten die sowjetischen Machthaber die Stadt als deren Verwaltungszentrum fest. Etwa 15 000 Angehörige des indigenen sibirischen Volksstammes der Tschuktschen leben in Russland, die meisten in ihrem autonomen Kreis.

Im Allgemeinen war der Kommunismus bei den Menschen im äußersten Nordosten Russlands nur wenig beliebt. Als kurz nach der Revolution im Jahre 1917 Vertreter der neuen Machthaber in die Stadt kamen, wurden Sie von den Einwohnern Anadyrs kurzerhand wieder hinausgeworfen.

Vor allem in den Jahren nach 1990 befand sich Anadyr in einem rasanten wirtschaftlichen Abwärtstrend. In den letzten zehn Jahren meldete die Stadt jedoch wieder positive Entwicklungen. So etablierte sich unter anderem ein lukrativer Farmbetrieb für Legehennen, der über 800 000 Eier pro Jahr produziert. Auch das 2001 erschlossene Erdgasfeld Westsee, mit dem Anadyr über eine Pipeline verbunden ist, sorgt für einen wirtschaftlichen Aufschwung in der gesamten Region.

Anadyr wirkt wie eine typische Stadt aus kommunistischer Zeit und bietet keine besonderen Sehenswürdigkeiten. Ausnahmen stellen das 2002 gebaute Gebäude des Regionalparlaments und das aufwendig renovierte Hotel Tschukotka dar.

Falls Sie eine Expeditionskreuzfahrt gebucht haben sollten, die Anadyr als Startpunkt hat, werden Sie in der Stadt vor allem mit ihren Reisebegleitern und dem Kapitän bekannt gemacht sowie über die Sicherheitsregeln an Bord informiert. Wenn Sie vom Schiff aus bei der Abfahrt einen Blick zurück auf die Stadt werfen, sehen Sie, wie diese auf einem Hügel gelegen Richtung Meer abfällt. Inmitten der vielen grauen Gebäude sind auch einige bunt bemalte Wohnblöcke zu sehen, die einen netten Kontrast zum sonst eher tristen Stadtbild abgeben.

Wer des Russischen mächtig ist, kann sich unter www.anadyr.org über die Stadt und die Umgebung informieren.

Lage: 64.733333, 177.516667

Wrangelinsel

Wir haben auf unserer Reise durch die russische Arktis die nordöstlichste Spitze des Festlandes umschifft und befinden uns nun im östlichsten Teil der Nord­küste. Nur wenige Kilometer vom Festland entfernt liegt die 150 Kilometer lange und 80 Kilometer breite Wrangel-insel, eine wahre Perle der Natur. Sie wurde im Jahre 2004 von der UNESCO auf die Liste des Weltnaturerbes der Menschheit gesetzt und ist damit das nördlichste Weltnaturerbe überhaupt. Dank der Ernennung ist die Wrangelinsel heute ein einziges großes Naturreservat. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass sie bei so gut wie allen Expeditionskreuzfahrten durch die russische Arktis auf dem Programm steht und Landausflüge unternommen werden.

Photo: Ansgar Walk

Die Wrangelinsel, die im Russischen Ostrov Vrangelja heißt, besteht eigentlich aus mehreren Eilanden. Neben der Hauptinsel zählen auch viele klei­nere vorgelagerte Inseln sowie auch die 60 Kilometer entfernt gelegene Insel Herald dazu.

Das polare Klima auf der Wrangelinsel ist eisig kalt. Nur selten kommt vom nahegelegenen sibirischen Festland wärmere Luft zu der Insel, normalerweise ist sie fest in der Hand der arktisch kalten und trockenen Luftmassen des hohen Nordens. Die Winter sind daher gekennzeichnet durch einen permanenten Frost. Vor allem im Februar und März können eisige Polarstürme mit bis zu 140 Kilometer pro Stunde über die karge Insel hinwegfegen. Die kurzen Sommer auf der Wrangelinsel sind in der Regel verhältnismäßig mild, und während der Mitternachtssonne können die Temperaturen dann auch leicht über dem Gefrierpunkt liegen. Dennoch sind auch zu dieser Jahreszeit gelegentliche Schneefälle keine Seltenheit, und meistens liegt ein dichter Nebel über der Insel, der ihr einen mystischen Glanz verleiht. Bemerkenswert ist auch, dass die Wrangelinsel trotz ihrer bis zu 1100 Meter in den Himmel ragenden Berge, nicht vergletschert ist. Eine die Insel wie eine Zuckerschicht bedeckende Schneeschicht ist jedoch eher die Regel als die Ausnahme. Zudem ist die Insel im Winter und teilweise auch im Sommer völlig von im Meer treibenden Eisschollen eingeschlossen. Seien Sie daher darauf vorbereitet, dass Sie sich mit Ihrem Expeditionsschiff zunächst einmal einen Weg durch die Eisschollen bahnen müssen.

Geschichte

Wissenschaftler nehmen heute an, dass die Wrangelinsel einst ein Teil des Festlandes war und ebenso wie auch die Neusibirischen Inseln erst entstand, als im Laufe der Jahrtausende der Meeresspiegel anstieg. Auf der Insel wurden zudem einige interessante fossile Funde sichergestellt. Sie ergaben, dass zu einem der damaligen tierischen Bewohner auch der Wollhaar-Mammut gehört haben muss. Aufgrund der abgeschiedenen Lage hatte der prähistorische Riese hier sogar die Gelegenheit, weitaus länger zu überleben als an anderen Stellen der Welt, und Wissenschaftler nehmen an, dass der Mammut bis vor 4000 Jahren noch auf der Wrangelinsel ansässig war. Damit ist die Insel der Ort, an dem nach den Erkenntnissen der Forschung der Mammut am längsten überhaupt überlebte. Auch eine menschliche Besiedlung auf der Insel konnten die Forscher nachweisen. Bei der archäologischen Aus­grabungsstätte Chertov Ovrag fanden sie Jagdgegenstände aus Stein und Eisen, von denen angenommen wird, dass sie aus der Zeit der letzten Mammuts stammen und somit ebenfalls fast 4000 Jahre alt sind!

Der Name der Insel geht auf den deutschbaltischen Adligen Ferdinand Friedrich Georg Ludwig Baron von Wrangel (1797–1870) zurück, der damals jedoch im Dienste Russlands stand. 1823 schloss Wrangel bei der Kartierung der Tschuktschen-Halbinsel auf die Existenz der Insel, nachdem er beobachtete, wie Vögel weiter auf das Polarmeer hinausflogen. Betreten hat Wrangel die später nach ihm benannte Insel jedoch nie, da die Versuche seiner Expeditionen, die Insel zu finden, keinen Erfolg hatten. Als erster Europäer, der 1866 die Wrangelinsel betreten haben soll, gilt der deutsche Entdecker und Polarforscher Eduard Dallmann (1830–1896). Andere Quellen sprechen jedoch von der ersten Betretung erst im Jahre 1881.

In den darauffolgenden Jahren versuchten verschiedene Nationen, die Insel zu besiedeln. Ein erster Versuch 1921, an dem sich neben Kanadiern und Amerikanern auch ein Inuit beteiligte, scheiterte. Zwei Jahre später gelang es jedoch einer Gruppe von zwölf Inuit und einem Amerikaner, eine erste Siedlung auf der Wrangelinsel zu errichten. Diese Siedlung sollte jedoch nicht lange Bestand haben. Das sowjetische Russland erhob Gebietsansprüche auf die Insel und ließ daraufhin im Jahre 1926 unter der Leitung des Polarforschers und Geografen Georgi Alexejewitsch Ushakov (1901–1963) die Siedlung räumen. Ushakov machte sich in den folgenden Jahren dann erfolgreich daran, eine eigene Siedlung zu gründen, die sogar noch heute existiert. Die Bevölkerung der Siedlung wird mit 100 Personen angegeben, von denen jedoch die meisten Forscher oder Ranger des Naturschutzgebietes sind.

Sehenswürdigkeiten

Auch wenn die Reise auf die Wrangelinsel für die Expeditionsschiffe wegen der arktischen Bedingungen kein Kinderspiel ist, lohnt sie sich. Die einzigartige Natur macht die Strapazen der Reise und das eiskalte Klima schnell vergessen. Achten Sie jedoch auf jeden Fall darauf, die Insel mit einer erfahrenen Schiffsbesatzung zu besuchen und sich unter keinen Umständen von Ihrer Gruppe zu entfernen, die Insel ist ein beliebter Aufenthaltsort für Eisbären! Im Sommer kann man durch die blühende und farbenfrohe Vegetation der arktischen Tundra wandern. Hier wachsen Flechten, Moose, Mohn und Farne. Mit über 417 gefundenen Pflanzenarten ist die Wrangelinsel im Vergleich mit anderen arktischen Gebieten sehr artenreich und grün.

Der dichte Nebel auf der Insel verleiht dem Szenario etwas Faszinierendes und Mythisches. Je höher Sie jedoch wandern, desto mehr reißt die Nebeldecke auf, und der blaue Himmel kommt im Idealfall zu Vorschein und erlaubt einen traumhaften Blick auf die tiefen Schluchten und steilen Berghänge der Insel. Auf den Erkundungsfahrten mit den Zodiacs hat man zudem die Chance, die viel­fältige Tierwelt der Wrangelinsel zu Gesicht zu bekommen. Neben Eisbären, Grauwalen und Walrossen können an den steilen Felsen auch unzählige Vögel aus nächster Nähe betrachtet werden. Vergessen Sie also auf keinen Fall, Ihre Fotoausrüstung mitzunehmen.

Oft machen die Expeditionsschiffe auch einen Halt in der kleinen ehemaligen Rentierzüchter-Siedlung der Insel, in der heute jedoch nur noch zeitweise Forscher und Ranger ansässig sind. Viele verlassene Häuser, Bagger, Baumaschinen und verstreut herumliegende Fässer erinnern eindrucksvoll an die verfehlte Arktis-Industrialisierungspolitik der Sowjetunion. 

Bei dem Anblick ist man mehr als dankbar dafür, dass die Wrangelinsel heute als Nationalpark unter strengem Schutz steht.

Kolyuchin-Insel

Einer der ersten Landgänge, die viele der Expeditionskreuzfahrten von Anadyr aus im Programm haben, ist ein Besuch der Kolyuchin-Insel. Sie liegt nur elf Kilo­meter von der Tschuktschen-Halbinsel entfernt in der Tschuktschensee, einem Randmeer des eisigen Nordpolarmeeres. Die Größe der Insel ist mit einer Länge von 4,5 Kilometern und einer maximalen Breite von 1,5 Kilometern überschaubar. Die gesamte Insel ist geprägt durch eine vegetationsarme Tundralandschaft.

Photo: Ansgar Walk

Das wohl einzige Mal, dass die Insel für einen kurzen Augenblick in das Licht der Weltöffentlichkeit trat, war das Jahr 1933. Grund war der sowjetische Eis­brecher Chelyuskin, der im Packeis unmittelbar vor der Küste der Insel feststeckte. Die Passagiere und die Besatzung des Schiffes wurden daraufhin in einer dramatischen Rettungsaktion aus der Luft geborgen. Das riesige internationale Medieninteresse an der Rettung sorgte dafür, dass nicht nur die beiden Expeditionsleiter der Rettung, Vladimir Voronin und Otto Schmidt, zu Helden ihrer Zeit wurden, sondern verhalfen auch der Kolyuchin-Insel zu einer gewissen Berühmtheit. Auf der Insel gibt eine kleine Siedlung der Tschuktschen, die den Namen Kolyuchino trägt. Der Hauptgrund, warum die Zodiacs der Expeditionskreuzschiffe die Insel ansteuern, ist das beeindruckende Naturschutzgebiet, in dem im Sommer tausende von Kormoranen, Lummen und Papageientauchern nisten. Auf den geführten Wanderungen kommt man diesen arktischen Vögeln sehr nahe.

Pevek

Im arktischen Hafen von Pevek angekommen, befindet man sich in der nördlichsten Stadt Russlands. Verwaltungstechnisch gehört Pevek zum Autonomen Kreis der Tschuktschen. Dieses sich ganz im Nordosten Russlands befindende Gebiet ist nur sehr dünn besiedelt. Vor allem in Folge des Rückgangs der Goldgewinnung seit Beginn der 1990er Jahre wandern immer mehr Menschen aus, so dass die Bevölkerung in den letzten 20 Jahren um mehr als die Hälfte geschrumpft ist. Die größte Gruppe innerhalb der Bevölkerung stellen Russen dar. Trotz des Namens der Region befinden sich die Tschuktschen also keineswegs in der Mehrheit, sondern stellen nur 23,5 Prozent der Bevölkerung. Die Stadt Pevek liegt mit seinen knapp 5000 Einwohnern ungefähr 640 Kilometer westlich der Hautstadt des Gebietes Anadyr.

Photo: Consfone

Wie viele andere russische Städte am polaren Nordmeer, wurde auch Pevek erst sehr spät und vor allem aus wirtschaftlichen Gründen gegründet. Dokumente von Polarexpeditionen belegen zwar, dass die Gegend um Pevek bereits im 18. und 19. Jahrhundert bekannt war, doch die Stadt wurde erst in den 1930er Jahren gegründet. Hintergrund waren die Pläne der sowjetischen Führung, sich den nördlichen Seeweg der Nordostpassage zu Nutzen zu machen. Zudem wurden in der Region Mineralien entdeckt, die der Stadt einen zusätzlichen Gewinn versprachen. Kurz nach der Gründung Peveks 1933 nahm der Hafen der Stadt bereits eine wichtige Stellung innerhalb der nordrussischen Wirtschaft ein.

Eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Region rund um Pevek sind sicher die sowjetischen Gefangenenlager, die sich hier befanden. In den beiden großen Lagern waren während und nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise bis zu 11 000 Menschen gleichzeitig inhaftiert. Die vielen Massengräber am Rande der Lager führen einem heute noch deutlich vor Augen, dass ein Großteil der Gefangenen hier nicht überlebte.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion verlor Pevek wirtschaftlich mehr und mehr an Bedeutung. Die Einwohnerzahl nahm seit Beginn der 1990er Jahre um rund die Hälfte ab. Viele Menschen ziehen die zentralrussischen Städte dem rauen und kalten Klima des russischen Nodens vor. Dies mag bei den langen und eisig kalten Polarwintern und den nur kurzen Sommern eigentlich nicht verwundern. Das wirtschaftliche Herzstück von Pevek ist trotzdem der Seehafen.

Auch hier kommt man ohne Russisch­kenntnisse nicht weit: www.pevek.ru

Lage: 69.700000, 170.316667.

Neusibirische Inseln

Die nächste Anlaufstelle entlang der russischen Küsten und auf den Spuren der Nordostpassage ist die Inselgruppe der Neusibirischen Inseln (Novosibirskije Ostrova). Wir sind nun an der nördlichen Küste Russlands angelangt.

Die Neusibirischen Inseln bestehen aus vier größeren Inseln, die alle über eine Fläche von mehr als 10 000 Quadrat­kilometern verfügen, und mehreren kleineren Inseln in unmittelbarer Umgebung. Die Inselgruppe wird im Süden vom russischen Festland durch die Laptev-Straße getrennt. Alle Inseln des Archipels zeichnen sich landschaftlich durch ihre flachen Ebenen aus, die mächtigste Erhebung ist gerade einmal 374 Meter hoch.

Geologisch gesehen sind die Inseln die letzten sichtbaren Überreste einer gigantischen Ebene, die im Laufe der Jahrtausende immer weiter in den Fluten des Meeres versank. Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese sogenante ›Große arktische Ebene‹ noch vor etwa 20 000 Jahren über dem Meeresspiegel lag und die heute sichtbaren Inseln in jener Zeit die höchsten Erhebungen bildeten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Inseln in der russischen Arktis ist die überwiegende Mehrheit aller Neusibi­rischen Inseln nicht von Gletschern oder Eiskappen bedeckt.

Die Neusibirischen Inseln werden von den Expeditionsschiffen vor allem deswegen angelaufen, weil sich auf ihnen beeindruckende, sehr alte Knochen­funde von Mammuts, Nashörnern und Flusspferden finden lassen. Auch die gewaltigen Zähne und Stoßzähne dieser Tiere können hier bestaunt werden und geben einen faszinierenden Einblick in eine längst untergegangene Welt. Zudem finden sich auf einigen der Inseln auch weitere imposante Zeugnisse aus vergangenen Zeiten. Entlang der Südküste der Großen Ljachov-Insel lassen sich dank des Permafrostbodens außergewöhnlich gut erhaltene und tausende von Jahre alte Knochen, Elfenbein, Torfe und Hölzer finden. Sogar ein 40 Meter hoher Baum befindet sich hier an einer Klippe, an dem jahrtausendealte Ab­lagerungen aus der Pleistozän-Zeit nachgewiesen werden konnten. Für alle frühzeitlichen Wissenschaftler sind die Inseln daher ein wahres Paradies zum Forschen.

Die ersten Aufzeichnungen über die Neusibirischen Inseln stammen von dem kosakischen Seefahrer Yakov Permyakov aus dem frühen 18. Jahrhundert. Wenig später, im Jahre 1712, wurde die Große Ljachov-Insel, ganz im Süden des Archipels gelegen, zum ersten Mal von einem kosakischen Team unter der Leitung von Yakov Permyakov und Merkuriy Vagin betreten. Die Kosaken berichteten auch von weiteren Inseln im Norden.

In den folgenden Jahrzehnten wurden immer mehr der Inseln entdeckt, und in den Jahren 1809 bis 1819 entsandte der russische Zar eine Mission in die Region, um die Standorte der Inseln kartografisch festzuhalten. Auf dieser Expedition ›entdeckten‹ die beiden Wissenschaftler Yakov Sannikov und Matvei Gedenschtrom eine Insel, die sich angeblich nördlich der Kotelny-Insel befinden sollte, die bis dato als das nördlichste Eiland der Inselgruppe gegolten hatte. Zudem behaupteten sie, das Land sei eisfrei gewesen und gaben damit den damaligen Theorien Nahrung, die besagten, dass das Nordpolarmeer als Ganzes eisfrei sei. Aus dem neuen Land, nach einem der Entdecker Sannikov-Land genannt, wurde so schnell ein Mythos, der viele der Menschen der damaligen Zeit erfasste. Der russische Naturforscher Eduard von Toll (1858–1902) machte sich 1886 auf den Weg zu den Neusibirischen Inseln, um das sagenumwobene Land zu entdecken. Dabei stieß er auch auf die reichhaltigen Knochen-, Elfenbein- und Holzfunde, die bis heute bei Wissenschaftlern als einmalig gelten, geben sie doch umfassend Auskunft über die frühzeitliche Geschichte des Archipels. Auch über Sannikov-Land brachte von Toll neue Erkenntnisse mit. Er bestätigte, das Land auf seinen Reisen ebenfalls gesehen zu haben.

Nach ihm wurde das neue Land jedoch jedoch nie wieder gesichtet. Bis heute hält der Streit über die Existenz von Sannikov-Land an. Während einige Wissenschaftler davon ausgehen, dass es das Land damals wirklich gegeben habe, es aber durch zunehmende Erosion verschwand – ein Prozess, den man übrigens auch heute bei den Neusibirischen Inseln beobachten kann – gehen andere Forscher davon aus, dass es das Land nie gegeben habe und es eher eine Projektion der Vorstellungen der damaligen Menschen war.

Severnaja Zemlja

Das nächste Reiseziel ist der Archipel Severnaja Zemlja. Dahinter verbirgt sich eine große Inselgruppe in der russischen Arktis, die aus sechs größeren Haupt- und ungefähr 25 kleineren Nebeninseln besteht. Severnaja Zemlja ist der russischen Festlandmasse vor Sibirien vorgelagert und befindet sich etwas nördlich der Taimyrhalbinsel. Die Inselgruppe erstreckt sich von 78 bis 81 Grad Nord geographischer Breite und von 90 bis 106 Grad Ost geographischer Länge. Die größte Insel des Archipels ist mit einer Fläche von 14 170 Quadratkilometern die Oktober-Revolutions-Insel. Hier liegt mit dem 965 Meter hohen Karpinski auch der höchste Berg des Archipels. Administrativ gehört Severnaja Zemlja zum sibirischen Autonomen Kreis Taimyr, der im Jahre 2007 in die Region Krasnojarsk eingegliedert wurde. Die Expedi­tionskreuzschiffe lassen hier ihre Zodiacs vor allem deswegen zu Wasser, weil die Inselgruppe mit ihren vergletscherten Bergen und ihrer arktisch-kargen Landschaft einen wunderbaren Einblick in die Natur des polaren Nordens bietet.

Die Inseln erlangten eine gewisse Berühmtheit vor allem dank des James-Bond-Films ›Golden Eye‹, in dem eine fiktive Satellitenstation mit dem Namen der Inselgruppe als spektakuläre Filmkulisse diente. Wer die gigantische Anlage jedoch auf der Insel sucht, wird nicht fündig werden, denn diese liegt in Mittelsibirien.

Der russische Name der Inselgruppe bedeutet Nordland. Die ursprüngliche Bezeichnung für den Archipel lautete eigentlich Nikolaus-II-Land. Die einzelnen Inseln waren nach orthodoxen Heiligen benannt. Nach der Oktoberrevolution in Russland gab das sowjetische Regime jedoch 1926 der Inselgruppe ihren heutigen Namen. Die einzelnen Inseln tragen heute Namen wie Oktober-Revolutions-Insel oder Bolschewiken-Insel. Im postsowjetischen Russland gibt es seit längerem eine Diskussion darüber, ob der Archipel seinen ursprünglichen Namen zurückerhalten sollte. Eine Entscheidung steht bis heute aus.

Die Inselgruppe wurde im Verhältnis zu anderen Archipelen der Arktis erst sehr spät entdeckt. Obwohl sie nicht weit von der russischen Küste liegt, wurde sie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal erwähnt. Die Entdeckung erfolgte auch eher zufällig, als sich 1913 ein Forschungsteam unter der Leitung des Hydrografen Boris Andrejewitsch Wilkizki (1885–1961) anschickte, die Nordostpassage zu finden. Als Wilkizki nach seiner Entdeckung die russische Fahne hisste, ging er jedoch noch davon aus, dass es sich lediglich um eine einzige Insel handelte.

Nachdem so bekannte Forscher wie Umberto Nobile, der die Inselgruppe mit seinem Flugschiff überquerte, die Inselgruppe gesichtet hatten, erfolgte in den Jahren 1930 bis 1932 eine umfassende kartografische Erfassung durch die russischen Polarforscher Georgi Alexejewitsch Uschakow und Nikolai Nikolajewitsch Urwanzew. Sie nutzen dabei auch Luftschiffe, die dazu beitrugen, auch die kleineren Inseln des großen Archipels zu sichten. Diese späte Entdeckung und Erforschung macht Severnaja Zemlja zu dem am spätesten entdeckten Archipel der Erde. Während des Kalten Krieges lag auf der Schmidt-Insel ein Luftwaffenstützpunkt der Sowjetunion, der aufgrund der strategisch günstigen Lage errichtet wurde. Von der Insel aus wäre es den Tupolew Tu-4 Bombern möglich gewesen, die Flugbasen der USA in Kanada und Grönland mit Atombomben anzugreifen, Die Inseln sind heute nicht mehr bewohnt. Nur auf der Golomjanny-Insel, die im Westen des Archipels liegt, befindet sich eine kleine Wetterstation.

Das Klima auf Severnaja Zemlja ist kalt und trocken mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von eisigen –16 Grad. Im wärmsten Monat Juli ist die Temperatur immer noch im Durchschnitt leicht unter dem Gefrierpunkt. Aufgrund dieser arktischen Kälte sind weite Teile der Inseln ganzjährig vergletschert. In den Teilen, die nicht vergletschert sind, dominieren landschaftlich vor allem die Tundra und die nahezu vegetationsfreie Polarwüste. Trotz der lebensfeindlichen Bedingungen kann man hier durchaus, wenn auch eingeschränkt, die arktische Flora und Fauna bestaunen. Neben Farnen und Moosen lassen sich auf den Inseln in den kurzen Sommermonaten auch farbenfrohe Pflanzen wie der Gegenblättrige Steinbrech bewundern. Auch die Tierwelt ist auf den Inseln mit einigen größeren Säugetieren vertreten. Nach Angaben von Polarforschern lassen sich hier 32 verschiedene Vogel­arten sichten, von denen 17 sogar auf den Inseln brüten. Das am häufigsten vorkommende Tier auf Severnaja Zemlja ist jedoch der Halsbandlemming. Dar­über hinaus gibt es vereinzelt arktische Füchse und Rentiere zu bestaunen.

Einsamkeitsinsel

Ganz weit im Norden, mitten in der Kara­see, liegt eine kleine Insel mit dem poetischen Namen Einsamkeitsinsel. Sie ist gerade einmal 11,5 Kilometer lang und 5,4 Kilometer breit. Interessant ist vor allem die Form der Insel. Das Festland umschließt fast komplett die riesige Nordlagune (Laguna Severnaja), die nur eine schmale Öffnung zum Meer hat. Von oben betrachtet wirkt die Einsamkeitsinsel daher wie ein Atoll.

Der russische Name der Insel lautet ›Ostrov Ujedinenija‹, was korrekterweise mit ›Insel der Zurückgezogenheit‹ übersetzt werden müsste. Beide Namen passen jedoch wunderbar zu dieser kleinen und extrem flachen Insel. Sie ist kalt, karg und öde. In den langen und extrem kalten Wintern ist die Einsamkeitsinsel vollkommen von dichtem Packreis eingeschlossen, und die durchschnittlichen Jahrestemperaturen liegen bei unter –15 Grad. Selbst in den kurzen Sommern steigt das Thermometer selten über den Gefrierpunkt. Die Insel ist angesichts dieser Bedingungen unbewohnt. Dennoch sind, teilweise im Schnee versunken, verlassene Gebäude zu finden, die von der Geschichte der kleinen Insel zu erzählen.

Der poetische Name wurde der Insel von ihrem norwegischen Entdecker Edvard Holm Johannesen gegeben, der das Land im Sommer 1878 zum ersten Mal betrat. Während des Zweiten Weltkrieges errichtete die Sowjetunion auf der Insel eine kleine Forschungsstation, die jedoch im Jahre 1942 von einem deutschen U-Boot angegriffen und vollkommen zerstört wurde. Später wurde sie wieder aufgebaut und während der Zeit der Sowjetunion und darüber hinaus auch genutzt. Seit 1993 steht die Einsamkeitsinsel aufgrund ihrer einzigartigen Landschaft unter Naturschutz und ist Teil des ›Großen arktischen staatlichen Naturreservates‹, welches das größte seiner Art in Russland ist. Das Ziel ist es, auch die faszinierende Tierwelt der Insel zu erhalten. Hier leben neben Eisbären, Walrossen und Robben auch viele Vogelarten. Im Rahmen eines Landganges hat man die Möglichkeit, die Schönheit der Natur und die Tierwelt der Insel kennenzulernen. Auch ein Besuch der verlassenen Polarstation ist äußerst spannend. Überall liegen noch die alten vereisten Geräte in den Gebäuden herum, und selbst das tiefgefrorene Essen ist noch zu sehen. An einer Wand mit Tapetenmuster hängt einzeln und bereits leicht verblichen ein Bild des sowjetischen Führers Lenin. Willkommen in der Einsamkeit.

Dikson

Die nur sechs mal acht Kilometer große Insel Dikson liegt rund zwei Kilometer vor dem russischen Festland in der Kara­see. Administrativ gehört sie zum Autonomen Kreis Tamyr, einer riesigen, fast menschenleeren Verwaltungseinheit am Nordpolarmeer. Die Ortschaft Diskon hingegen liegt nicht nur in Gänze auf der gleichnamigen Insel selbst, sondern schließt auch einen kleinen bewohnten Teil des Festlandes mit ein. Die Siedlung ist damit durch das Meer zweigeteilt. In Dikson befindet sich nicht nur einer der nördlichsten Häfen Russlands, sondern die Stadt ist auch eine der nördlichsten Siedlungen der Welt. Durch seine abgeschiedene Lage dürfte Dikson auch einer der am meisten isolierten Orte der Welt sein. 

Insgesamt leben in Dikson etwa 2500 Personen. Die geringe Einwohnerzahl dürfte auch mit dem extrem rauen Klima in der Region zusammenhängen. Selbst im August ist das Wetter extrem unwirtlich. Der Winter dauert in der Regel über zehn Monate, von denen zwei aufgrund der Polarnacht in völliger Finsternis verbracht werden müssen. Auch das Wappen der Stadt deutet bereits auf die arktischen Bedingungen hin. Über einem mächtig dastehenden Eisbären glitzern die Sterne der polaren Nacht. Die Einwohner der Stadt sind jedoch stolz auf sie. Inoffiziell wird Dikson von seinen Einwohnern daher auch ›Hauptstadt der Arktis‹ genannt.

In der Geschichte der Arktiserforschung hat Dikson seinen festen Platz. Viele Forscher, die sich auf die Suche nach der Nordostpassage machten, wählten Dikson als ihren Ausgangspunkt. Auch viele weitere Arktisexpeditionen nahmen in der kleinen Stadt ihren Anfang. Ihren Namen verdankt sowohl die Siedlung wie auch die Insel dem Sponsor einer finnisch-schwedischen Polarexpedition im Jahre 1875, Oskar von Dickson. Da das Russische jedoch die Buchstabenkombination ck nicht vorsieht, wurde 1884 als offizieller Name Dikson festgelegt.

Neben ihrer Funktion als Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Polarexpeditionen wurde die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem für militärische Zwecke genutzt. Bis in die 1940er Jahre wurden hier ein sowjetischer Marinestützpunkt sowie ein Hafen aufgebaut. Um den Bau möglichst rasch voranzutreiben, setzte das sowjetische Regime auch massiv Strafgefangene ein, die unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten mussten. Während des Zweiten Weltkrieges griffen deutsche Kriegsschiffe den Hafen an und beschädigten ihn schwer.

In der Zeit des Kalten Krieges konnte sich die Insel vor allem aus zwei Gründen der finanziellen Hilfe aus Moskau sicher sein. Zum einen diente sie als wichtiger Luftwaffenstützpunkt, zum anderen wurde Dikson zu einem wichtigen Prestigeprojekt der sowjetischen Führung. Von hier aus wollte man die Förderung des Seewegs über die Nordostpassage voranbringen und damit der Welt zeigen, zu welchen Leistungen der kommunistische Staat in der Lage war. Aufgrund der großzügigen Unterstützung stieg die Einwohnerzahl in diesen Jahren auch auf bis zu 10 000 Menschen an. Wie für viele andere Städte auch, kam mit dem Untergang der Sowjetunion auch für Dikson der schleichende Zerfall. Auch wegen der mangelnden Wirtschaftlichkeit der Nordostpassage verlor Dikson zunehmend an Bedeutung und Bevölkerung. Aus wirtschaftlicher Sicht bietet die Erschließung des Erdölfeldes bei Vankor einen Hoffnungsschimmer. Eine Pipeline soll Erdöl von dort zum Verschiffen nach Dikson bringen.

Novaja Zemlja

Die russische Doppelinsel Novaja Zemlja (Neues Land) ist ein sehr häufig von den Expeditionsschiffen angesteuertes Reiseziel. Die sichelförmige Inselformation liegt am östlichen Rand der Barentssee und wird geografisch noch zu Europa gezählt. Die beiden Inseln Severny Ostrov (Nordinsel), und Jushniy Ostrov (Südinsel) sind praktisch unbewohnt. Dies liegt sicher vor allem an dem extrem rauen Klima auf den beiden Inseln, das jedoch auch gleichzeitig die besondere Atmosphäre schafft. Fast das ganze Jahr über ist es eiskalt, stürmisch und regnerisch. Lediglich während der kurzen Sommermonate ist die Westküste von Novaja Zemlja schneefrei. Beide Inseln ragen mit ihren hohen Felsen geradezu majestätisch aus dem Nordpolarmeer auf. Die nördliche Insel ist die viertgrößte Insel in ganz Europa und besitzt viele Berge mit einer Höhe von bis zu 1590 Metern. Die gesamte Insel ist vergletschert mit einer Eisdichte von bis zu 400 Metern. Die südliche Insel ist ein wenig kleiner als ihre Schwesterinsel, und es dominieren hier aufgrund des etwas milderen Klimas vor allem eine vegetationsarme Tundra und Frostschuttwüsten.

Geschichte

Bis ins 16. Jahrhundert hinein war Novaja Zemlja nur den Russen bekannt, die vermutlich bereits im 11. Jahrhundert von der Doppelinsel wussten. Im Zuge der Suche nach der Nordostpassage wurden jedoch auch die Westeuropäer auf die beiden Eiländer aufmerksam. Der englische Seefahrer Hugh Willoughby landete 1553 als erster Europäer auf Novaja Zemlja. Dort traf er auch auf russische Seefahrer, die bereits die Inseln für ihren Jagdhandel erschlossen hatten. Auch der berühmte Seefahrer Willem Barents erforschte zwischen 1594 und 1597 die Inseln und wurde hier auch im Jahre 1597 begraben. Kartografisch wurde die Inselgruppe zum ersten Mal von den beiden Expeditionsreisenden Pyotr Pakhtusov und Avgust Tsivolko in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts detailliert erfasst. Mit Malye Karmakuly entstand 1870 dann die erste permanente Siedlung, die bis ins Jahr 1926 Bestand haben sollte. Kurz darauf wurde die Siedlung Belushya Guba zum administrativen Zentrum der Doppel­insel. Bei Expeditionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die von dem russischen Geologe Vladimir Alexandrovich Russanov durchgeführt wurden, entdeckte man zahlreiche Rohstoffvorkommen. 1908 gelang Russanov auch die erste West-Ost-Durchquerung der Doppelinsel, 1910 navigierte er erstmals rund um die Nordinsel und 1911 umschiffte er die Südinsel.

Novaja Zemlja erlangte vor allem während des Kalten Krieges eine gewisse Bekanntheit, als die Sowjetunion die Insel als Testgebiet für Kernwaffenversuche nutzte. Von 1955 bis 1990 wurden in der Region insgesamt 130 Kernwaffentests durchgeführt. Auch die größte Bombe der Welt, die Zar-Wasserstoffbombe, wurde auf der Insel 1961 gezündet. Die Sprengkraft der Bombe entsprach etwa 57 Megatonnen und war damit beinahe viermal so stark, wie die von den Amerikanern 1945 über Hiroshima abgeworfene Atombombe.

Sehenswürdigkeiten

Heute leben nach offiziellen Angaben gerade einmal rund 3000 Einwohner auf Novaja Zemlja, davon fast alle ausschließlich in der Hauptstadt Belushja Guba an der Westküste der Südinsel. Die Lage der Stadt ist klimatisch sehr günstig, da eine ganzjährige warme Meeresströmung das Einlaufen in den Hafen extrem erleichtert, so dass in der Regel bereits leichte Eisbrecher ausreichen. Zudem ist die Bucht dank ihrer natürlichen Lage gut vor herumtreibenden Eismassen geschützt. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem indigenen Stamm der Nenzen an, die vor allem von der Fischerei und der Pelztierjagd leben. Viele der Ureinwohner der Doppelinsel wurden mit dem Beginn der Kernwaffentests Anfang der 1950er Jahre von der sowjetischen Führung gegen ihren Willen umgesiedelt. Die Stadt verfügt über alle wichtigen infrastrukturellen Einrichtungen wie Schulen, Hotels, Krankenhäuser und Kirchen. Auf den beiden Inseln befinden sich heute zudem mehrere Polarforschungsstationen.

Der Tourismus hat hier mitten im polaren Eismeer erst zaghaft begonnen. Gerade einmal drei Hotels befinden sich in der Hauptstadt. Die Bedeutung des Ortes könnte jedoch in Zukunft deutlich zunehmen. Die russische Regierung plant den Bau eines großen Erdölhafens, von dem aus vor allem Erdöl aus Westsibirien durch die Nordostpassage weiter transportiert werden soll. Die Hoffnungen Russlands richten sich dabei vor allem darauf, dass große Teile des Nordpolarmeers in naher Zukunft eisfrei sein könnten und somit einen hervorragenden Transportweg darstellen.

In der Regel fahren die Expeditionsschiffe bei ihrer Expedition zu den Inseln zunächst an der Westküste von Novaja Zemlja entlang. Bei günstigen Wetterverhältnissen hat man die Chance, einen traumhaften Blick auf die eisbedeckten Berglandschaften zu werfen. Einen beliebten Anlaufpunkt stellt auch die Inostrantseva-Bucht dar. An den Küstenstreifen kann man unglaubliche Vielfalt der arktischen Pflanzenwelt bestaunen. Zudem wird man auch sicherlich die zahlreichen an den Klippen nistenden Polarvögel zu Gesicht bekommen. Achten Sie bei den Landgängen auf jeden Fall auf die entsprechende Kleidung, es ist extrem kalt und windig!

Auch auf den historischen Spuren der früheren Arktispioniere kann man auf Novaja Zemlja wandeln. In der sogenannten Icy-Bucht überwinterte 1596 die Expedition des berühmten Willem Barents während ihres Versuches, die Nordostpassage zu entdecken. Auch das Grab des Polarforschers befindet sich an der Westküste der Insel. Viel ist von seinem Winterlager leider nicht mehr zu sehen, nur noch einige Überreste lassen erahnen, wo einst seine Holzhütte stand. Steht man aber vor dem Gedenkstein für den großen Forscher, der von einer holländisch-russischen archäologischen Expedition gesetzt wurde, überkommt einen dennoch ein andächtiges Gefühl, und die Vorstellung, dass Barents hier in dieser unwirklichen Gegend einen Winter verbrachte, lässt einen leicht erschaudern.

Franz-Josef-Land

Die Inselgruppe Franz-Josef-Land (Zemlja Franza Iossifa) ist ein weiterer Höhepunkt einer Expeditionskreuzfahrt. Diese nördlichste Inselgruppe Europas und Eurasiens ist aufgrund des extremen Klimas mit dem Schiff nur in den wenigen Sommerwochen eisfrei zu erreichen und dies gilt keineswegs für jedes Jahr. Ein Besuch ist nur im Rahmen einer Eisbrecher-Expeditionskreuzfahrt möglich, bei denen auch immer spannende Landgänge auf den größeren Inseln des Archipels eingeplant sind. Bis Ende der 1980er Jahre war Franz-Josef-Land für Touristen nicht zugänglich. Erst im Laufe der 1990er Jahre entwickelte sich ein zaghafter Tourismus, der jedoch immer wieder mit den Anforderungen der russischen Behörden zu kämpfen hatte. Bis heute gilt jedoch, dass menschliche Aktivität auf den Inseln von Franz-Josef-Land nahezu unbedeutend ist. Doch gerade diese arktische Einsamkeit und die vielen kleinen Hinweise auf den Inseln, die von menschlichen Versuchen zeugen, den Bedingungen des hohen Nordens zu trotzen, machen den Besuch auf dem Archipel zu etwas Einmaligem. 

 

Der Archipel besteht insgesamt aus 191, in der Regel eisbedeckten Inseln, von denen jedoch einige winzig klein sind. Die größte Insel des Archipels ist mit einer Fläche von 2821 Quadratkilometern Prinz-Georg-Land. Insgesamt hat der Archipel eine Fläche von 16 135 Quadratkilometern. Der nördlichste Punkt der Inseln befindet sich nordöstlich von Spitzbergen sowie nordwestlich der Inselgruppe Severnaja Zemlja und ist nur noch rund 900 Kilometer vom geografischen Nordpol entfernt. Nur die Nordspitze Grönlands und die kanadische Ellesmere-Insel liegen damit noch dichter am Pol.

Diese extreme Nähe zum Nordpol spiegelt sich natürlich auch im arktisch kalten Klima auf der Inselgruppe wieder. Im Januar steigen die Temperaturen selten über –10 Grad und nur im kurzen Sommer steigt das Thermometer auf über 0 Grad. Niederschläge, fast immer in Schneeform, und teilweise dichter Nebel sind typische Merkmale des Klimas. Insgesamt ist das Klima jedoch auch hier eher als trocken zu bezeichnen. Die Jahresniederschläge variieren zwischen 100 und 330 Millimeter pro Jahr.

Über 90 Prozent aller Inseln des Archipels sind eisbedeckt, und es gibt zahlreiche nach wie vor sehr aktive Gletscher, die direkt ins Meer kalben. Grund für dieses kalte Klima ist der Umstand, dass die Inseln, anders als beispielsweise Spitzbergen, von keinem wärmenden Ausläufer des Golfstromes berührt werden. Selbst im Sommer erreichen die Temperaturen des Meerwassers an der Oberfläche selten mehr als 0 Grad. Seit der Entdeckung der Inseln im Jahre 1872 lässt sich jedoch ähnlich wie in Spitzbergen ein deutlicher Rückgang der Vergletscherung feststellen, der als ein Indiz für die zunehmende globale Erwärmung gesehen werden kann.

Franz-Josef-Land grenzt direkt an die Packeisgrenze. Nördlich der Insel bricht selbst in den kurzen Sommern daher das Eis nicht auf. Das driftende Eis bedeckt auch zu einem überwiegenden Teil des Jahres die Barentssee, in der die Inselgruppe liegt. Fahrten zu den Inseln sind daher nur mit Eisbrechern möglich, lohnen sich aber vor allem angesichts der einzigartigen Landschaft, die es hier zu entdecken gibt. An den flachen Küstenebenen der Inseln lassen sich zahlreiche Seen und Tümpel finden. Zusammen mit den zahlreichen Flüssen und Bächen, die vor allem im Sommer reichhaltig durch das Schmelzwasser gespeist werden, zeigt sich Franz-Josef-Land damit als sehr wasserreich. Insgesamt gestaltet sich die Landschaft der Inseln karg und bizarr und ist so sicherlich im arktischen Nordmeer nur selten anzutreffen.

Geschichte

Obwohl bereits im 17. Jahrhundert Robbenjäger das Archipel, auf dem nach Meinung der Forscher keine indigenen Völker gelebt haben sollen, im Nord­polarmeer gesichtet haben wollen, war es doch die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition, die sich mit dem Titel ›Erstbetreter‹ schmücken durfte. Als ihr Schiff, die Admiral Tegetthoff, auf der Suche nach der Nordostpassage im August 1872 im Packeis eingeschlossen und abgetrieben wurde, stieß das Expeditionsteam unter Führung von Oberleutnant Julius Payer (1841–1915) und Schiffsleutnant Carl Weyprecht (1838–1881) am 30. August 1873 eher zufällig auf die Hall-Insel. In mehreren Schlittenexpeditionen wurden auch die weiteren Inseln erkundet und schließlich zu Ehren des damaligen österreichischen Kaisers Franz-Joseph-Inseln getauft. Die Expedition gab ihr vom Packeis schwer beschädigtes Schiff schließlich auf und erreichte nach langem Umherirren auf dem Eis im August 1874 offenes Wasser und wurde von russischen Fischern, die sich zufällig dort aufhielten, gerettet. Alle Expeditionsteilnehmer bis auf einen kehrten wohlbehalten nach Wien zurück, wo ihnen ein triumphaler Empfang bereitet wurde. Wer sich näher mit der dramatischen Geschichte der Expedition beschäftigen möchte, dem sei der spannende Roman ›Die Schrecken des Eises und der Finsternis‹ des österreichischen Schriftstellers Christoph Ransmayr empfohlen.

In den folgenden Jahren wurde die Inselgruppe in insgesamt sieben Expeditionen bis 1906 kartografisch detailliert erfasst. Nur bei einigen abgelegenen Inseln dauerte es bis Ende der 1920er, bis sowjetische Experten sie erfassen konnten. In den ersten Jahrzehnten nach der Entdeckung fand die Inselgruppe lediglich bei einigen Robben- und Walfängern größere Aufmerksamkeit, die jedoch ihre Reisen aus Angst vor der Konkurrenz nicht selten völlig geheim hielten.

Gegen Mitte der 1920er Jahre annektierte die junge Sowjetunion die Inselgruppe, die zuvor als Niemandsland angesehen worden war, und errichtete eine größere Forschungsstation auf der Hooker-Insel, die bis 1958 Bestand haben sollte. Während des gesamten Kalten Krieges blieb Franz-Josef-Land sowjetisches Sperrgebiet und war für westliche Besucher nicht zugänglich. In dieser Zeit entstanden auf der Inselgruppe mehrere zivile und militärische Stationen, die jedoch zu einem überwiegenden Teil nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geschlossen wurden. Bis heute ist es aufgrund der russischen Kontrolle nicht ohne weiteres möglich, die Inseln zu besuchen. Es bedarf spezieller Genehmigungen, die selbst für die Expeditionsreiseanbieter nicht immer leicht zu bekommen sind. Heute leben nur sehr wenige Menschen auf dem Archipel.

Flora und Fauna

Die verschiedenen Inseln von Franz-Josef-Land sind landschaftlich einer der absoluten Höhepunkte der russischen Arktis. Neben Eisbären lassen sich hier auch Robben, Polarfüchse und zahl­reiche hocharktische Vogelarten bestaunen. Zudem kann man in unmittel-barer Küstennähe Walrosse beobachten. Nach einer exzessiven Walrossjagd auf Franz-Josef-Land, die bis ungefähr Mitte der 1950er anhielt und nach Schätzungen von Tierschützern über 10 000 Tiere das Leben kostete, hat sich der Bestand der heute wieder wahrnehmbar stabilisiert. Polarforscher gehen davon aus, dass heute um den Archipel etwa 2000 Walrosse beheimatet sind.

Auch Wale zählen zu den Meeresbewohnern, die sich an den Küsten des Archipels aufhalten. Neben Weißwalen können hier auch Schwertwale und Narwale bestaunt werden. In den letzten Jahren tauchten zudem immer mehr Grönlandwale in der Region auf, die man eigentlich bereits für ausgerottet hielt.

Eine der größten und wichtigsten Vogelkolonien ist der Rubini-Felsen auf der Hooker-Insel. Hier nisten bis zu 15 000 Krabbentaucher, Dreizehenmöwen und Eissturmvögel.

Die Vegetation so hoch oben im Norden ist eher spärlich. Doch auch hier lassen sich im kurzen Sommer durchaus Blütenpflanzen blicken, die für sehenswerte Farbtupfer in der sonst kargen Landschaft sorgen. Daneben finden sich hier arktische Pflanzen wie Moose, Flechten und einige Grasarten. Die fruchtbarsten Gebiete liegen als kleine Flächen mit geschlossener Vegetationsdecke auf den südwestlichen und zentralen Inselgruppen verstreut.

Darüber hinaus lassen sich auf dem Archipel zahlreiche wirklich einmalig faszinierende Landschaftsformen erleben. Dies hängt vor allem mit dem früheren Vulkanismus der Inselgruppe zusammen. Besonders spektakulär sind die berühmten Geoden (Steinkugeln), die sich auf der Insel Champs besichtigen lassen. Sehr sehenswert sind auch die beiden markanten Landspitzen Kap Tegethoff und Kap Frankfurt, die beide auf der im Sommer in der Regel eisfreien Hall-Insel liegen.

Expeditionsreisen auf die Inselgruppe werden in der Regel mehrmals im Jahr angeboten, konzentrieren sich jedoch auf die Monate Juli und August, da im übrigen Jahr das Wetter im hohen Norden eine Besichtigung der Insel unmöglich macht. Die Reisen starten in der Regel von Murmansk oder Kirkenes aus.

Viel Wissenswertes gibt es unter 
www.franz-josef-land.info 

Hall-Insel: 80.316667, 57.916667
Prinz-Georg-Land: 80.500000, 49.000000
Hooker-Insel: 80.233333, 53.016667

Archangelsk

Die Stadt ist nicht nur eines der bedeutendsten administrativen, wirtschaftlichen und politischen Zentren des gesamten russischen Nordens, sondern neben Murmansk und Anadyr auch einer der Ausgangspunkte für Reisen mit den Expeditionsschiffen in die arktischen Meere. Der Name der Stadt kommt vom alten Erzengel-Michael-Kloster aus dem 12. Jahr-hundert. Seither gilt der Erzengel als Schutzpatron der Stadt und ist auch auf ihrem Wappen abgebildet. Insgesamt leben in Archangelsk rund 340 000 Einwohner und machen die Stadt zu einer echten Metropole. Archangelsk ist zudem das Verwaltungszentrum des gleichnamigen Regierungsbezirks, der sich im Norden Russlands über eine Fläche von der Größe Frankreichs erstreckt.

Trotz der Tatsache, dass sich die Stadt etwas unterhalb des Polarkreises befindet, sind die klimatischen Bedingungen durchaus arktisch, und die Nähe zum polaren Eismeer macht sich deutlich bemerkbar. Prägend sind vor allem die harten und kalten Winter mit Temperaturen um die –26 Grad und die relativ kurzen Sommer, in denen das Thermometer auf bis zu +16 Grad ansteigen kann. Obwohl Archangelsk 225 Kilometer südlich des Polarkreises liegt, kann man in der Stadt aufgrund der geografischen Nähe in den Sommermonaten die sogenannten ›Weißen Nächte‹ beobachten, in denen die Sonne auch nachts nicht ganz untergeht.

Archangelsk ist eine der ethnisch homogensten Regionen des Landes. Die einzige nennenswerte Gruppe neben den Russen, die sich hier allerdings Pomoren nennen und eine eigene Tradition und Mundart haben, sind die Nenzen. Der bekannteste Sohn aus der Stadt ist sicherlich der berühmte russische Gelehrte Michail Lomonosov (1711–1765).

Geschichte

Die Stadt blickt auf eine lange und wechselhafte Geschichte zurück, in deren Verlauf vor allem der Seehafen und die geografische Lage immer eine entscheidende Rolle gespielt haben. Die Gegend war bis zum Eintreffen der Russen im 11. Jahrhundert von finnischen Stämmen besiedelt. Die russischen Kaufleute, die sich in der folgenden Zeit hier niederließen, nannten die Region Dvina-Land (Dvinskaia Zemlja). Die Gegend entwickelte sich in den darauf folgenden Jahren gut und zog mehr und mehr Seefahrer, Fischer und Kaufleute an, die vor allem mit den skandinavischen Mächten einen regen Handel betrieben. Auch die ersten Expeditionen in die polaren Meere starteten von Archangelsk aus, so wurde beispielsweise Spitzbergen von hier aus zum ersten Mal entdeckt.

Die Stadt fiel 1584 unter die Herrschaft Moskaus, das sich vor allem durch den Bau eines Seehafens den Zugang zum Meer verschaffen wollte, um Handel mit den europäischen Mächten treiben zu können. Von hier aus etablierte Russland ab dem 16. Jahrhundert seine Kontakte mit Westeuropa, vorwiegend mit eng­lischen Händlern, die an russischen Pelzen, Honig und Wachs interessiert waren und ihrerseits viele westliche Waren wie teure Stoffe und Gewürze importierten. Um dem zunehmenden Handel gerecht zu werden und die Stadt zu schützen, entstanden eine Reihe von großen Werften und die Archangelsker Festung. Die große Bedeutung der Stadt in dieser Zeit – der große Handelshof Gostiny Dvor war beispielsweise europaweit bekannt – nahm erst mit der Gründung von St. Petersburg im 18. Jahrhundert wieder ab.

Auch nachdem St. Petersburg Archangelsk den Rang abgelaufen hatte, blieb die Stadt als ›Tor zur Arktis‹ wichtig. Von hier aus stieß eine Vielzahl von berühmten Expeditionen zur Erkundung der Arktis in See, und heute liegt hier die große Atomeisbrecher-Flotte Russlands im Hafen, die den nördlichen Seeweg freihält. In den beiden Weltkriegen, besonders im Zweiten, erlangte Archangelsk vorübergehend seine frühere Bedeutung wieder, als über die Stadt große Teile der alliierten Warenlieferungen an Russland eintrafen.

Auch heute ist Archangelsk nach wie vor ein bedeutender Wirtschaftsstandort für Russland. Vor allem der Seehafen spielt für den russischen Im- und Export eine entscheidende Rolle. Zudem sind Fischfang, Holzverarbeitungs- und Papierindustrie wichtige Wirtschaftszweige, und auch Rüstungsbranche und die Werften bieten Arbeitsplätze. Zunehmende Bedeutung erlangt auch die Öl- und Gasförderung.

Die gesamte Gegend um Archangelsk ist bekannt für ihre lange Kunst- und Handwerkstradition. Hier oben im Norden Russlands sind noch einige der urtümlichsten Teile des russischen Kulturerbes zu bestaunen, und so kann man in zahlreichen Museen Schmuck, Gemälde und Trachten bewundern.

Sehenswürdigkeiten

Archangelsk präsentiert sich seinen Besuchern mit einem Mix aus historischen Holzgebäuden und typischen Bauten aus kommunistischer Zeit. Es gibt in der Stadt, aber auch in der Umgebung eine Reihe von Sehenswürdigkeiten, die Sie nicht verpassen sollten.

Das riesige Denkmal für Peter den Großen, ist in ganz Russland bekannt, weil es auf dem 500-Rubel-Schein abgebildet ist. Es befindet sich an einem Kai des nördlichen Dvina-Flusses. Mit dem Monument dankt Archangelsk Peter dafür, dass er in seiner Regierungszeit die Stadt zum wichtigsten Flottenstützpunkt in Russland machte und einige der großen Werften der Stadt gründete.

Sehr interessant ist ein Gebäude direkt am Ufer der Dvina. Es handelt sich dabei um das höchste Holzhaus der Welt. Es besteht aus insgesamt 13 Stockwerken und ragt 38 Meter in den Himmel. Das Haus wurde 1992 von dem russischen Unternehmer Nikolai Petrovich Sutyagin ohne Genehmigung gebaut. Nachdem  er und seine Familie 15 Jahre lang unbehelligt in der Villa leben konnten, beschlossen die örtlichen Behörden aus Gründen des Brandschutzes, das Haus abzureißen. Der Turm des Hauses wurde bereits abgenommen, und es könnte sein, dass, wenn Sie in die Stadt kommen, von der einstigen Prachtvilla nicht mehr viel zu sehen sein wird.

Am Ufer befindet sich zudem die Himmelfahrtskirche. Nachdem unter der Herrschaft von Stalin alle Kirchen der Stadt zerstört worden waren, entstand diese Kirche, die eigentlich aus dem 18. Jahrhundert stammte, 2004 nach den originalen Plänen erneut.

Entlang der Tshumbarova-Luchinskogo-Straße befindet sich eine Reihe von wertvollen Holzbauten, die restauriert wurden. Insgesamt ist es nett, durch das Zentrum der Stadt zu spazieren. Es wurde in den letzten Jahren ausgebaut und modernisiert, und so hinter mancher Ecke findet man ein schönes Gebäude.

Eine wichtige Sehenswürdikeit sind die  Solovki-Inseln, die jedoch gute 250 Kilo­meter entfernt liegen. Das Kloster, das sich auf der Hauptinsel befindet, war lange Zeit ein wichtiges Zentrum des orthodoxen Christentums in Nordrussland. Nachdem bereits verschiedene Zaren den Ort als Verbannungsstätte für Aufständische genutzt hatten, wurde das Kloster von den sowjetischen Machthabern in den 1920er Jahren in ein Konzentrationslager umfunktioniert und war das erste GULAG-Lager Russlands. Heute gehört das Kloster wieder der russisch-orthodoxen Kirche, die seine frühere Größe und Bedeutung für das Land wiederherzustellen versucht.

Ebenfalls außerhalb, jedoch nur unweit der Stadt liegt das Freilichtmuseum Malye Karely. Dabei handelt es sich um ein ganzes Dorf, in dem einmalige Holzbauten, Glockentürme und Kirchen aus den Dörfern der Region gesammelt und aufgestellt wurden.

Im Vergleich zu anderen russischen Städten im hohen Norden ist die Information zu Archangelsk vorbildlich und vor allem auch in deutscher Sprache zugänglich: www.pomorland.info

Lage: 64.550000, 40.533333

Murmansk

Murmansk ist mit seinen beinahe 350 000 Einwohnern nicht nur die größte Stadt der russischen, sondern auch der ganzen Arktis. Den Schiffsexpeditionen in die russische Arktis dient Murmansk neben Anadyr als Ausgangs- und Endpunkt der Rundfahrten, da die Stadt über Helsinki gut mit dem Flugzeug zu erreichen ist. Auch Fahrten mit eisbrechenden Schiffen zum Nordpol werden von Murmansk aus angeboten.

Die Stadt befindet sich auf der Halbinsel Kola etwa sieben Kilometer von der Barentssee entfernt und war vor allem während des Zweiten Weltkriegs eine der wichtigsten militärischen Basen der Sowjetunion. Der Name der Stadt leitet sich von dem russischen Wort ›rmansk‹ ab, was soviel wie ›Nordmänner‹ bedeutet. Angesichts der nördlichen Lage der Stadt ist das ein durchaus passender Name.

Geschichte

Murmansk ist eine relativ junge Stadt und noch nicht einmal 100 Jahre alt. Sie war 1916 die letzte Stadtgründung im Zarenreich und sollte mit ihrem eisfreien Hafen vor allem die Versorgung der weiter in der Arktis gelegenen russischen Siedlungen und Inseln sicherstellen. Zudem hofften die Romanovs, mit der Stadt einen wichtigen strategischen Punkt für ihre Versorgungslinien im Ersten Weltkrieg zu erschaffen. Nach der Kapitulation der neu entstandenen Sowjetunion im Jahre 1917 wurde die Stadt für zwei Jahre von alliierten Truppen besetzt.

Während des Zweiten Weltkrieges kam Murmansk eine zentrale Rolle in der sowjetischen Kriegsführung zu. Über den ganzjährig eisfreien Hafen konnten die alliierten Truppen ihre sowjetischen Verbündeten über die Barentssee und damit den Nordatlantik mit Waffen und anderen kriegswichtigen Gütern versorgen. Die deutsche Wehrmacht versuchte dies durch mehrere Angriffswellen zu verhindern und ihrerseits Kontrolle über den strategisch wichtigen Hafen zu erlangen. Als Folge der Angriffe hatte die Stadt extreme Zerstörungen zu erleiden. Nach Stalingrad war sie die am meisten bombardierte Stadt der Sowjetunion. Dennoch gelang es den deutschen Truppen dank des erbitterten Widerstandes der Roten Armee nicht, Murmansk zu erobern. Aufgrund dieses Widerstandes wurde der Stadt 1985 offiziell der Titel ›Stadt der Helden‹ verliehen. Zudem erinnert eine 35 Meter hohe Statue an die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges.

In der Zeit des Kalten Krieges war der Hafen von Murmansk das Hauptquartier der sowjetischen U-Bootflotte. Noch heute befindet sich in der direkt neben Murmansk gelegenen Stadt Severomorsk das Hauptquartier der russischen Nordflotte, die auch als Eismeerflotte bezeichnet wird. Zudem liegt nur zwei Kilometer außerhalb von Murmansk die russische Eisbrecherflotte vor Anker.

Murmansk ist nicht nur aufgrund seiner Größe, sondern auch dank seiner verkehrstechnischen Anbindung die wichtigste Stadt in der russischen Arktis. Über den eisfreien Hafen können Waren aus dem Westen per Zug in das Herz des russischen Reiches transportiert werden. Die sogenannte Murmanskbahn verbindet seit 1917 die Stadt mit der Metropole St. Petersburg. Die nördlichste Bahnstrecke der Welt bringt auch Personen in einer 28 Stunden dauernden Fahrt nach St. Petersburg. Die Straßenanbindung ist über die Europastraße 105 ebenfalls gut. An den russisch-finnischen und russisch-norwegischen Grenzen entwickelte sich seit der vorsichtigen Öffnung der Grenzen ein lebhafter Verkehr. Zudem verbindet der rund 40 Kilometer vom Zentrum entfernte Flughafen von Murmansk die Stadt mit vielen wichtigen europäischen und russischen Städten. 

Die Bedeutung der Stadt könnte in den nächsten Jahren noch deutlich zunehmen. Es wird geplant, von Murmansk aus die ›arktische Seebrücke‹ ins Leben zu rufen. Diese Schiffsverbindung soll Murmansk mit dem kanadischen Hafen Churchill in Manitoba verbinden und zu einer der wichtigsten Wirtschaftsverbindungen zwischen Europa und Asien werden.

Murmansk gilt heute leider auch als eines der größten Atommülllager der Welt und hat dabei vor allem mit Altlasten aus der Zeit der Sowjetunion zu kämpfen. Viele der Atom-U-Boote wurden nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Reiches Anfang der 1990er Jahre stillgelegt. Einige der Kernreak­toren und Brennstäbe dieser U-Boote wurden in der Nähe von Murmansk endgelagert, jedoch teilweise unter solchen Bedingungen, dass der radioaktive Müll heute eine große Gefahr für die Menschen in der Region darstellt. Auch im Hafen von Murmansk kann man die Folgen der Transformation beobachten: Hier rotten viele Schiffe der ehemaligen Sowjetunion, darunter auch viele atombetriebene U-Boote, vor sich hin.

Sehenswürdigkeiten

Landschaftlich wirkt die Halbinsel Kola, auf der Murmansk liegt, karg und kalt. Im Norden steil, fällt Kola zum Süden flach ab. Im Westen sind die höchsten Erhebungen, wie das Chibiny-Gebirge mit 1191 Metern. Neben russischen Einwohnern leben auch viele Samen auf der Halbinsel. Die Polarnacht dauert in Murmansk, das nördlich des Polarkreises gelegen ist, vom 29. November bis zum 15. Januar. Im Anschluss daran findet in der Stadt das große Fest mit dem bezeichnenden Namen ›Hallo Sonne!‹ statt, bei dem eine Vielzahl von Musik- und Tanzveranstaltungen auf dem Semyonovskaya-See dargeboten werden. Auch viele traditionelle Veranstaltungen, unter anderem der Samen, können auf dem fröhlichen Fest bestaunt werden. Auch über das Fest hinaus hat Murmansk ein breites kulturelles Programm zu bieten. Neben vielen Kinos, die vor allem in den Polarnächten stark frequentiert sind, besitzt die Stadt auch drei Theater, die einen Besuch wert sind, sollten Sie des Russischen mächtig sein.

Auf den ersten Blick wirkt Murmansk für den ankommenden Besucher nicht sehr einladend. Die Zeit des sowjetischen Reiches ist der Stadt immer noch anzumerken und hat bis heute im Stadtbild ihre Spuren hinterlassen. Dennoch ist es nicht verkehrt, Murmansk nicht nur als Ausgangs- oder Endpunkt für die Schiffsexpeditionen ins Nordpolarmeer zu begreifen, sondern sich auch auf die spezielle Atmosphäre dieser größten Stadt der Arktis einzulassen. Die Stadt ist trotz der Tatsache, dass sie sich in die Länge zieht, problemlos zu Fuß zu besichtigen. Praktisch alle wichtigen Sehenswürdigkeiten konzentrieren sich im überschaubaren Zentrum der Stadt. Auf den Hauptstraßen verkehren jedoch auch viele Busse und Taxen, die Sie ebenfalls an Ihr Ziel bringen.

Einen ersten Einstieg in die Geschichte und die Kultur der Stadt kann man im regionalen Geschichtsmuseum der Stadt bekommen. Die Ausstellungen informieren die Besucher über die verschiedensten Themen. Neben ethnografischen Informationen über die lokalen Volksgruppen findet man hier auch Wissenswertes über Flora und Fauna der Region und die Geschichte Murmansks im Zweiten Weltkrieg. Der große Nachteil des Museums liegt darin, dass alle Ausstellungstafeln ausschließlich auf Russisch sind. Wenn Sie das Museum besuchen wollen, ist es ratsam, sich von einem deutsch- oder englischsprachigen Guide führen zu lassen. Das Museum schließt um 17 Uhr, der Eintritt kostet 25 Rubel.

Falls Sie sich für Kunst interessieren, lohnt sich ein Besuch im Kunstmuseum der Stadt. Es befindet sich in der ulica Kominterna 13. In dem wunderschön restaurierten Gebäude kann man neben Gemälden lokaler Künstler auch Skulpturen bewundern. Das Museum ist täglich zwischen 11 und 19 Uhr geöffnet.

Neben diesen beiden größeren Museen befinden sich in Murmansk noch das Marinemuseum (ul. Tortseva 15) sowie das Historische Schiffsmuseum (ul. Volodarskovo 6).

Auf jeden Fall sollte man nicht verpassen, sich das Wahrzeichen der Stadt, die Alyosha-Statue, näher anzusehen. Die Statue, die einen sowjetischen Soldaten zeigt, der die Stadt überblickt, befindet sich auf einem Hügel in der Nähe des Sees Semyonovskaya. Sie haben entweder die Möglichkeit, dort mit einem Taxi hinzufahren oder aber Sie nehmen den Bus (Linie 3 und 10). Egal wie Sie sich entscheiden, Sie müssen den letzten Abschnitt per Fuß zurücklegen. An schönen Tagen lohnt es sich auch, vom Zentrum einen Spaziergang dorthin zu machen. Die Statue erinnert an den Widerstand der Roten Armee gegen die deutsche Wehrmacht, die zwischen 1941 und 1944 vergeblich versuchte, das für den Krieg strategisch wichtige Murmansk zu erobern.

Sollten Sie bereits vor Ihrer eigentlichen Schiffsreise Lust auf das kalte Nordpolarmeer verspüren, können Sie vom Hafen der Stadt aus mit einem der zahlreichen Boote eine Rundfahrt durch die Bucht machen. Vom Schiff aus hat man nicht nur die Gelegenheit ,Murmansk vom Wasser aus zu betrachten, sondern auch die vielen im Hafen vor sich hinrottenden U-Boote, Kriegsschiffe und Frachter zu sehen. Bei der Abfahrt und Ankunft Ihres Expeditionsschiffes werden Sie diesen Anblick aber auf jeden Fall noch einmal haben.

Als letzte Sehenswürdigkeit sei noch das Ozeanium der Stadt genannt. Es liegt in der ul. Geroev-Severomortsev 4, unweit des Sees Semyonovskaya. Dort können unter anderem putzig anzusehende Robben bei ihren Kunststücken bestaunt werden.

Leider nur in russischer Sprache: 
www.citymurmansk.ru

Lage: 68.969911, 33.078264